„Das 'Absurde Theater' ist schon vor langer Zeit erfunden worden.”

Quelle und weitere Zitate

Interview

Gegen Ende der achtziger Jahre führte der damalige ARD-Korrespondent, Tagesthemen-Moderator und Freund Ionescos Ulrich Wickert ein Interview in Eugène Ionescos Pariser Wohnung. Der Wortlaut des Interview-Textes entspricht der gesprochenen Übersetzung des Synchronsprechers.

Im März des Jahres 2000 habe ich von Ulrich Wickert die Genehmigung erhalten, das Interview zum Teil auf meiner Homepage wiederzugeben. An dieser Stelle möchte ich mich nachdrücklich für diese Geste bedanken und auch dem Wunsch Ulrich Wickerts entsprechen, ausdrücklich auf Copyright bzw. Urheberschaft hinzuweisen. Jede weitere Wiedergabe bedarf unbedingt der Zustimmung Ulrich Wickerts.

Ulrich Wickert wurde 1998 im Rahmen eines Interviews mit dem Sonntagsblatt auch über seine Begegnung mit und Faszination von Eugène Ionesco befragt. Dort sagte er:

"Ich habe Ionesco privat kennen gelernt, als er Ende siebzig war, und bis zu seinem Tod immer wieder gesehen. Er war ein Mann voller Ängste. Ich habe in unseren Gesprächen viel von ihm gelernt, über die Literatur, das Denken, die Menschen."

Angesprochen auf die von Eugène Ionesco geschilderten mystischen Erfahrungen sagte Ulrich Wickert:

"Das hatte mit seiner Todesangst zu tun. Schon als junger Mensch sah er ein Licht. Sein Leben lang kämpfte er mit der Frage, ob es Gott gibt. Ich vermute, er ist gestorben, ohne an Gott zu glauben. Aber er hat Gott immer gesucht. Mich hat er gefragt, ob ich an Gott glaube. Ich sagte nein."

Auf die Frage, ob er Ionescos Fragen nach Gott und dem Glauben geteilt hat, sagte Ulricht Wickert:

"Die Frage nach Gott stellt sich mir immer wieder. Die Frage des Todes auch. Es ist klug, sich darüber Gedanken zu machen. Ionesco fragte sich: Bleibe ich oder bleibe ich nicht? Das besorgt viele Menschen. Woher man kommt, weiß man ja: von den Eltern, Großeltern und so weiter. Den anderen in Erinnerung zu bleiben war für ihn kein Trost."

Im Interview mit Ulricht Wickert berichtet Eugène Ionesco beispielsweise, wie er über Gott denkt, ob er sich als Einzelgänger sieht, wie er zu Sartre steht und warum er malt.

In der Einsamkeit finde ich den Menschen.

Ionesco: ...Ich reise ab. Ich reise gerne ab.

Wickert: Gibt es einen psychologischen Grund, warum Sie so gerne abreisen, einfach weggehen?

Ionesco: Ja, das ist eine psychologische Frage. Ich habe einfach Lust, anderswo hinzugehen, zu fliehen. Wenn ich zu Hause bleibe, habe ich den Eindruck, dass mir größere Gefahren drohen, als wenn ich herumreise. Ich liebe das Abreisen. Ein französischer Dichter hat gesagt, Abschied nehmen heißt ein wenig sterben. Ich sehe das umgekehrt: Weggehen heißt ein wenig leben. Also reise ich ab.

Wickert: Sind Sie immer gerne abgereist?

Ionesco: Schon immer, schon immer gerne. Früher tat ich es sehr selten. Das Reisen war teuer und ich hatte nicht viel Geld. Heute habe ich Geld, und obendrein bezahlt man mir auch noch meine Reisen. Früher, als ich kein Geld hatte, bezahlte man sie mir nicht.

Wickert: Ist es Ihnen eigentlich egal, wohin Sie reisen. Ist nur wichtig, dass Sie reisen?

Ionesco: Einfach abreisen, neue Orte kennenlernen. Es macht mir Freude, Menschen zu begegnen. Ich unternehme viel, sehe mir Ausstellungen an, schreibe auch in einem Hotel in St. Gallen, lerne Menschen, lerne Neues kennen. Ich habe das Gefühl, wenn ich auf Reisen bin, dass die Welt neu wird, ganz frisch, jungfräulich. Immer bin ich auf der Suche nach der neuen Welt. Ich bin ein Christoph Columbus, der die neue Welt sucht; zum Beispiel in der Schweiz. Er sucht, wo er kann. Ärgerlich ist nur, dass man nichts Neues mehr entdeckt. Sie reisen nach Deutschland, nach Amerika oder in die Schweiz, und überall spricht man von Reagan und von Gorbatschow. Die Eisschränke, die Autobahnen; es ist heute schwierig, wirklich interessante Orte zu sehen. Man muss Umwege machen, denn das Interessante ist versteckt. Die schöne, neu zu entdeckende Welt ist verborgen. Immer auf den Autobahnen und in den Flugzeugen; das hindert uns daran, etwas zu sehen. Aber nur ganz selten entdecken wir Neues in der Landschaft und in den Städten, die sich allmählich ungeheuer gleichen. Das herrliche Deutschland besaß früher so schöne Städte. Zum Glück sind noch ein paar übrig. Aber die meisten sind kleine New Yorks geworden. Wenn sie in der Wüste spazieren gehen, ja, die Wüste ist etwas Neues. Ich war einmal in Israel, da fragte mich der Landwirtschaftsminister, der gegen die Wüste ankämpfte, um etwas Land zu gewinnen: 'Was hat Ihnen hier in Israel am meisten gefallen?' Ich habe dem Minister ganz dumm geantwortet: 'Die Wüste.' In den Großstädten findet man die Wüste, aber eine lärmende Wüste. Ich suche eine wirkliche Wüste, die Einsamkeit.

Wickert: Warum suchen Sie die Einsamkeit?

Ionesco: In der Einsamkeit finde ich den Menschen. In den Massen kann ich ihn nicht mehr finden. Es gibt Einzelgänger, die wirklich isoliert sind, und es gibt Pseudo-Einsame. Die wirklichen Einzelgänger sind in ständigem, mystischem oder realem Kontakt mit dem Universum.

Wickert: Wo stehen Sie? Welche Art von Einzelgänger sind Sie?

Ionesco: Ich versuche, ein wirklicher Einzelgänger zu sein, aber zwangsläufig bin ich es nicht. Ich stehe in Kontakt mit allen möglichen Welten, den Zeitungen und den Massenmedien. Gerade jetzt, in diesem Augenblick. Ich weiß nicht einmal, ob ich etwas bewahren kann von dem, was mein Ich ist und was von mir übrig bleiben wird. Das, was auch die Anderen ausmacht, ihre eigentliche Tiefe. Denn, wie gesagt, das Ich ist letztlich nicht von den Anderen getrennt. Es begegnet den Anderen in sich selbst.

Wickert: Was würden Sie gerne in Ihrem eigenen Ich entdecken?

Ionesco: Gott.

Wickert: Existiert er?

Ionesco: Er existiert nicht, er ist. Dennoch existiert er. Aber wir haben nur einen Zugang zu ihm durch die Existenz von Jesus Christus. Gott ist in unserer Reichweite, weil er Mensch geworden ist. Ansonsten ist er ein Sein. Er hat keinen Namen, er ist unendlich. Und unendlich unbeschreibbar. Konkret existiert er nur in seinem Sohn, der Fleisch geworden ist.

Wickert: Sie sagen, Sie würden gerne in Ihrem Ich Gott begegnen. Was ganz konkret glauben Sie darin zu finden?

Ionesco: Das ist schwer zu sagen. Ein Licht, eine Gegenwart. Meine Tochter sieht Gott, wenn sie die byzantinischen Ikonen anschaut. Jesu Augen in den Ikonen. Plötzlich glaubt sie eine Gegenwart zu spüren, und genau das ist Gott. Eine Gegenwart. Diese Erfahrung habe ich selbst gemacht, als ich 18 Jahre alt war. Ich befand mich, diese Geschichte habe ich schon oft erzählt, in einer kleinen Provinzstadt, früh morgens im Juni. Plötzlich wurde das Licht blendend weiß, viel strahlender als die Sonne. Die Wäsche, die zum Trocknen im Hinterhof hing, die arme Bettwäsche sah plötzlich übernatürlich aus. Alles erschien mir unsagbar schön. Und vor allem spürte ich diese Gegenwart, die mich denken und sagen lässt: 'Nie wieder werde ich Angst vor dem Tod haben. Und wenn ich alt bin, werde ich mich an diesen Augenblick erinnern und keine Angst haben.' Aber das ist jetzt nur noch eine Erinnerung einer Erinnerung einer Erinnerung. Den Augenblick selber gibt es nicht mehr. Diese Gegenwart, dieses mystische Phänomen, das nur einige Augenblicke gedauert hat, löste sich auf, und danach erschien mir die Sonne düster. Solche Erfahrungen sind selten. Voller Licht und Intensität. Genau das bewahrt einen vor dem Sterben, lässt einen hoffen, trotz der Schrecklichkeit der Welt. Manchmal träumt man von einem Tunnel. Am Ende des Tunnels das Licht, und man geht auf das Licht zu. Diesen Traum habe ich Freunden erzählt. Anscheinend ein archetypischer Traum. In den Augenblicken tiefster Verzweiflung taucht dieser Traum auf.

Das Schreiben macht mich glücklich.

Wickert: Sie sagen, Sie haben viele Albträume. Was träumen Sie da? Furchtbare Dinge, die Sie selbst begehen?

Ionesco: Ich habe oft schreckliche Albträume. Und beim Erwachen habe ich den Eindruck, dass ich mich noch immer in diesem Alptraum befinde. Noch vor Kurzem hatte ich so einen Traum. Wenn es so ist, stehe ich auf, ziehe mich an und gehe ins Badezimmer, damit der Albtraum sich auflöst oder verschwindet. Und schließlich löst er sich wirklich auf. Dann falle ich in einen anderen Albtraum, in den des Alltags. Ich habe das Gefühl, dass unser Leben ganz und gar unerträglich ist, dass wir eine Hölle durchmachen, besonders in den letzten zwei Jahrhunderten. Die Menschen machen Revolutionen, die eine nach der anderen übel ausgehen. Ich habe wirklich das Gefühl, die Welt ist entsetzlich. Ausgenommen einige Augenblicke, die schrecklich und wunderbar zugleich sind.

Wickert: Was passiert in Ihren Albträumen?

Ionesco: Terrorakte.

Wickert: Sind das Dinge, die Sie tun oder die Sie erleiden?

Ionesco: Die ich beinahe erlebe. Ganz in der Nähe, 50 Meter von hier passierte letzten Sommer in einem Kaufhaus in der Rue de Reine eine entsetzliche Katastrophe. Ich weiß also nicht mehr, ob ich im Wirklichen oder im Unwirklichen bin. Dann halte ich das Wahre für das Unwirkliche, und umgekehrt. Nein, es geht um das Wirkliche, nicht um das Wahre. Das Wahre ist das Heutige. Ich verwechsel also das Wirkliche und das Unwirkliche. So grausam sind alle beide. Und in meinen Träumen sehe ich Terror, begehe selbst grässliche Dinge. Manchmal glaube ich, ich trage in mir ein Verbrechen. Weil die Menschheit im Verbrechen lebt.

Wickert: Sind Sie Pessimist?

Ionesco: Ich kann nicht behaupten, dass ich pessimistisch wäre. Ich sage nur, dass ich erstaunt und erstaunt, entsetzt und entsetzt bin. Und ich frage mich, wie lange das alles noch dauern wird. Das ist die Hölle. Die Hölle ist die Dauer. Die Hölle ist die Wiederholung. Die Hölle dauert lange, die Ewigkeit hingegen nur einen Augenblick. Die Ewigkeit ist außerhalb der Zeit.

Wickert: Viele Ihrer Stücke enden mit dem Tod.

Ionesco: Mit dem Tod oder mit der Katastrophe. In 'Mörder ohne Bezahlung', eines meiner Theaterstücke, gibt es eine Person, die den Mörder fragt, warum er mordet. Und sie versucht ihn zu überreden, keine Leute mehr umzubringen. Eine leicht verständliche Parabel. Der Mensch und der Tod; radikal entgegengesetzte Weisen zu leben. Im Bösen leben, im Tod leben oder im Leben leben. Im Leben leben heißt einen ewigen Frühling wiederfinden, der manchmal in uns selber liegt. Das endet in der Katastrophe, wie in meinem Stück 'Die Nashörner', wie in den fröhlichen Stücken wie 'Die kahle Sängerin'. Da geht es auch um eine Katastrophe. Die Katastrophe der Sprache. Es treten Leute auf, die ganz ernst dasitzen und unsinniges Zeug reden, wie man es immer tut. Und plötzlich geraten die Wörter aus den Fugen, sie verrenken sich. Es geht um eine Verrenkung der Sprache, also um eine Art Verrenkung der Welt. Aber dieses aus den Fugen geraten der Sprache habe ich lustig beschrieben.

Wickert: Da sind Sie fröhlich. Sie zeigen zwar die Zerstörung der Kommunikation, der Sprache, aber Sie tun es mit Spaß.

Ionesco: Ja, leichtsinnig, unbekümmert, als wäre es ganz normal. Damals war ich auch noch jung.

Wickert: Waren Sie fröhlich?

Ionesco: Nein, fröhlich bin ich nie gewesen. Das Schreiben macht mich glücklich. Den ersten Film wollte ich machen, als ich zehn Jahre alt war. Für den hatte ich selber das Drehbuch geschrieben. Ein Freund, der elf war, sagte, er hätte einen Onkel, der ihm eine Kamera geben wollte. Ich erinnere mich an dieses erste Drehbuch: Kinder kommen zu Besuch zu anderen Kindern, begegnen dort den Eltern, werfen die Eltern aus dem Fenster, werfen die Möbel aus dem Fenster. Schon damals hatte ich diesen Sinn für den Skandal und für die Katastrophe. Schon in meinem ersten Stück ging es also um ein fröhliches Aus-den-Fugen-Geraten, als hätte ich die Leere beschwören wollen, damit es keine Welt mehr gebe. Damit man sich in einem anderen Raum außerhalb unserer Welt befinde. Außerhalb unserer Welt in einer anderen Welt. Ich habe dann immer wieder an der Verspottung der Sprache gearbeitet. Auch nachdem ich ein paar ideologische Stücke geschrieben habe. Und im letzten Stück, 'Reise zu den Toten', gibt es einen Schlussmonolog. Da gerät die Sprache ganz und gar aus den Fugen. Der Monolog besteht aus Assonanzen, unverständlichen, erfundenen Wörtern. Und alles wird in einem sehr tragischen Ton vorgetragen - vom Leid erdrückt. Da geht es nicht mehr um die Zerstörung durch Freude, das ist Zerstörung durch Verzweiflung.

Im literarischen Rumänien habe ich meine ersten Seiten geschrieben, die eine Revolte sein sollten. Eine Revolte gegen die rumänische Kultur, die ich nicht leiden konnte. Ich mochte die literarische Welt in Rumänien nicht, denn sie ähnelte allen literarischen Milieus der Welt. Das heißt, es gab ein paar Begabungen, Talente, Genies, aber zugleich viele, viele Eitelkeiten. Ich verabscheute diese Welt, weil ich die Literatur überhaupt verabscheute. Darum habe ich später auch welche gemacht. Mein Weg in die Literatur begann mit einem Kampf gegen die Literatur, der seinen Niederschlag in einem Buch fand mit dem Titel 'Nu', das heißt 'Nein'.

...Als Student war ich gegenüber meinen Professoren sehr aggressiv. Ich las andere Bücher als jene, die die Professoren geschrieben hatten....Proust liebte ich sehr, dessen Bücher auch gerade erschienen und den man für den letzten Idioten hielt. Er wurde nicht verstanden.

Ein sensibler Mensch kann nicht in dieser Welt leben. Oder er lebt mühevoll und schlecht.

Wickert: Sie erzählen, dass Sie immer gegen das waren, was die Professoren sagten. Besaßen Sie immer einen Widerspruchsgeist?

Ionesco: Ich glaube, ich besaß immer einen gewissen Widerspruchsgeist. Das sieht man auch in meinen Theaterstücken. Die Hauptfigur von 'Jakob oder der Ungehorsam' ist jemand, der gegen die Welt revoltiert. Dann habe ich eine Erzählung geschrieben und daraus ein Theaterstück gemacht. Danach einen Film, in dem ich selber gespielt habe. Er heißt 'Schlamm'. Die Hauptfigur in diesem Film löst sich auf - moralisch, geistig und physisch. So sehr, dass sie ihre Beine verliert, dass sie ihre Arme verliert. Und schließlich bleibt ihr nur noch der Mund übrig. Ein Auge, um den Himmel zu betrachten, und der Mund, um zu sagen: 'Ich werde wieder von vorne anfangen. Ich liebe diese Welt nicht.' Er bittet Gott um eine neue Offenbarung. Um einen neuen Kosmos.

Wickert: Es gibt etwas in Ihrem Werk, was sich nicht vermengt. Die Logik und das, was diese Logik durchbricht.

Ionesco: Genau das. Was ich tue, was ich schreibe, da ich zunächst ein vernünftiger Mensch bin, ist selbstverständlich logisch. Aber dann bekomme ich Anfälle von Irrationalität, die in mir hochsteigen und die Logik zerstören. So ist mein Theater zu dem geworden, was man 'Absurdes Theater' nennt. Diejenigen, die nach mir 'Absurdes Theater' gemacht haben, haben es schlechter als ich gemacht. Viele Leute haben nachgemacht, was ich geschrieben hatte. Sie bemühten sich, Absurdes zu machen, während bei mir das Absurde aus der Konfrontation des Rationalen mit dem Irrationalen entspringt. Das Irrationale, das das Rationale einholt, wie Sie eben gesagt haben.

Wickert: Akzeptieren Sie diese Bezeichnung 'absurdes Theater'?

Ionesco: Ich akzeptiere sie. Ich finde, dass die Welt als Ganzes absurd ist, oder doch nicht absurd ist. Es ist schwer zu sagen, was absurd ist, da wir keine Vorstellung dessen haben, was nicht absurd ist. Aber, die Welt gefällt mir nicht. Sie entspricht mir nicht, sie ist sinnlos. In dem Maße, wie ich die Strukturen des Geistes widerspiegele, habe ich das Recht, die Welt absurd zu finden. Übrigens ist das 'Absurde Theater' schon vor langer Zeit erfunden worden. Sophokles machte 'Absurdes Theater' und Shakespeare hat das 'Absurde Theater' definiert. Er lässt MacBeth sagen: 'Die Welt ist eine Geschichte, die ein Idiot erzählt, voller Lärm und Sinnlosigkeit, und sie bedeutet nichts...' - etwa in dieser Art. Ich kenne nicht das genaue Zitat. Aber das ist der Sinn des Unsinns wie ihn Shakespeare definiert hat.

Wickert: Gab es in den literarischen Salons literarische Streitigkeiten? Wurde jemand wie Jean Genet auch eingeladen?

Ionesco: Genet war äußerst liebenswürdig als er in den literarischen Salons auftrat. Er war ein Bandit gewesen. Ich glaube sogar, er wurde zum Tode verurteilt. Aber ich bin da nicht sicher. Jedenfalls ist er aufgrund seiner Begabung freigekommen. Damals besaß er Begabung, Genie und eine große Macht und Ausstrahlungskraft. Wenn Genet in einem literarischen Salon erschien, begnügte er sich damit, silberne Löffel zu stehlen. Am nächsten Tag rief die Gastgeberin die Gastgeberin des vorhergegangenen Tags an und fragte: 'Und was hat er bei dir gestohlen?'

Wickert: Es war also wichtig, dass er etwas Wertvolles gestohlen hatte. Das wertete die Gastgeberin auf.

Ionesco: Ja, das wertete sie auf.

Wickert: Warum haben Sie Sartre nicht gemocht?

Ionesco: Aus mehreren Gründen. Weil er ständig die politische Richtung wechselte.

Wickert: War Sartre ein schwieriger Mensch, wenn man ihm begegnete?

Ionesco: Nein, aber ich habe ihn selten gesehen. Man hat mir jedoch erzählt, er sei der höflichste, freundlichste Mensch der Welt gewesen. Er hatte eine Schwäche für mich. Aber wegen seiner Meinungsschwankungen, seiner ständigen Widersprüche mochte ich ihn nicht. Dennoch war ich der einzige Schriftsteller, mit dessen Stücken er seine Stücke zusammen aufführen ließ. Er hatte also eine Sympathie für mich. Und kurz vor seinem Tod habe ich von ihm geträumt. Wir befanden uns in einem Theater. Ich habe zu ihm gesagt: 'Aber hier ist ja niemand, der meinetwegen gekommen ist.' Und Sartre sagte: 'Aber ja doch, sehen Sie da oben, auf dem Olymp, ganz viele Menschen.' In meinem Traum habe ich zu Sartre gesagt: 'Wie gern hätte ich sie kennengelernt.' Und er hat mir geantwortet: 'Zu spät.' Nach seinem Roman 'Der Ekel' mochte ich ihn sehr, aber nicht mehr nach 'Das Sein und das Nichts', wo es keine Freundschaft zwischen den Menschen gibt, nur Machtverhältnisse. Danach hat er andere Bücher geschrieben. Ich hätte ihn wirklich gern näher kennengelernt. Er fehlt mir in meiner Galerie von Pariser Schriftstellern und Künstlern.

Ionesco (zur Malerei): Ich male, weil es eine Therapie ist. Eine ausgezeichnete Therapie.

Wickert: Therapie wogegen?

Ionesco: Für meine Ängste. Gegen meine Beklemmungen. Ein Übermaß an Not, Angst. Meine Ängste überwältigen mich ganz und gar. Ich konnte gar nicht mehr leben, so schrecklich waren meine Ängste und Depressionen, die durchaus berechtigt sind, wenn man sich die Welt ansieht. Ein Psychotherapeut sagte mir: 'Die Neurotiker haben Recht.' Trotzdem gibt man ihnen Medikamente, um ihre Einsichten zu dämpfen, denn die Welt ist unerträglich. Ein sensibler Mensch kann nicht in dieser Welt leben. Oder er lebt mühevoll und schlecht. Das war bei mir der Fall. Also zuerst war es eine Therapie. Hinzu kam ein Ekel vor dem Geschwätz. 30, 35 Jahre lang hatte ich Theaterstücke geschrieben. Es redete und redete und redete. Zuletzt ekelten mich die Wörter an. Also brauchte ich das Schweigen. Und jetzt bin ich im Schweigen. Außer, wenn ich mit Ihnen spreche.