„Wenn ich jemals feindselig war, dann gegenüber der Dummheit und gegenüber der Verletzung von Menschenrechten.”

Quelle und weitere Zitate

Tagebuch: „Man ändert sich nicht“

„MAN ÄNDERT SICH NICHT. Die Situation ändert sich. Seien die Lebensbedingungen besser oder schlechter, mittendrin bin immer ich, unverändert in meinem innersten Wesen. Stellt eine Pflanze in die Sonne, und sie entfaltet sich; gebt ihr zu wenig Wasser, und sie verwelkt; aber gelb oder grün, vertrocknet oder gedeihend, sie bleibt immer dieselbe Pflanze, obwohl ihre Reaktionen je nach den Verhältnissen verschieden sind. Das Chamäleon wechselt die Farbe jedes Mal, wenn es sich schützen muss. Hört es darum auf, ein Chamäleon zu sein? Wird es Teil der Umwelt, der es sich angleicht, wird es zum Blatt, das es zu sein vortäuscht? Es bleibt immer dasselbe Chamäleon. Seit jeher ist man, man wird nicht. Das Wesen geht der Existenz voraus, die Reaktionen wechseln, ohne dieses Wesen zu verändern. Die Geschichte macht uns nicht, zuweilen machen wir sie sogar. Die Dinge machen uns nicht, da wir ja schon gemacht sind. Die Dinge versetzen uns abwechselnd aus einem Zustand in den andern, jedoch erkenne ich alle diese Zustände als die meinen an. Ich hätte kein anderer sein können, und ich würde nie ein anderer sein können. Mag ich auch dies oder jenes Gute oder Böse tun, ich werde darum nicht dieses Gute, dieses Böse, dieses Falsche, dieses Wahre. Es handelt sich also nicht darum, anders zu werden, es handelt sich darum, sich wiederzufinden, das heißt das Unveränderliche in den ganz provisorischen Veränderungen eines mit der Welt verquickten Ichs. Man ist geneigt, die zustands- und situationsbedingten Veränderungen mit einer imaginären Wesensänderung zu verwechseln. Ich kann in einem Zustand der Gereiztheit, der Gesundheit, der Krankheit, des Wohlbefindens oder des Unbehagens sein, aber all dies ist im Grunde nur eine Außenseite meines Ichs. Wäre ich Bauer, Bourgeois, Arbeiter etc., unterschiede ich mich immer von jedem andern Bauern, Bourgeois oder Arbeiter. Genau wie ein Schauspieler hinter den verschiedensten Rollen derselbe bleibt. Eine Katze wird nicht Katze, sie ist von Geburt an Katze, sie wird sich wie eine Katze verhalten, und nichts wird ihre Katzennatur verändern. Sie wird nicht lernen, Katze zu sein, sie versteht es zu sein. Ich glaube an die Katzenidee vor der Katze. Ich glaube an die ‚apriorische‘ Katze. Deshalb bin ich trotz allem und vielleicht unlogischerweise geneigt zu glauben, dass wir nicht abgeschnitten sind von der Unsterblichkeit. Darauf basiert auch meine Hoffnung, dass der Gleichmut und eine gewisse Unempfindlichkeit letzten Endes stärker sind als mein Zorn und meine Hoffnungslosigkeit. Schließlich kann die menschliche Natur nicht hassenswert sein. Gute oder schlechte Laune sind provisorische psychologische Abwandlungen, verschiedene Zustände, die jedoch diese Natur weder zerstören noch wesentlich verändern.“

Quelle: Eugène Ioneso, Tagebuch, Ionesco Werke 5, C. Bertelsmann, S. 409-410

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